Der Schrecken von Bellavista

Der Schrecken von Bellavista

Da bin ich von den Spaniern positiv überrascht, weil sie ja gar nicht so aufdringlich sind, wie ich dachte, und dann kommt einer der alles zunichte macht!

Wie der Schrecken begann

Ich breche auf nach Álora auf, wieder mal den Fahrplan der Züge vercheckt, also warte ich noch ´ne Stunde. Am Zielort angekommen, habe ich mir per Internet ein Hostel rausgesucht, was etwas außerhalb liegen soll, ist mir aber egal, da es scheinbar auf dem Weg nach El Chorro liegt. Ich möchte zwei Tage dort bleiben, etwas wandern und dann nach El Chorro. Google Maps leitet mich an diesen Ort namens Bellavista.

Dann der erste Schreck, hier ist nichts! Das Hostel liegt mitten in einem Industriegebiet, Álora ist ganz nah, jedoch nicht zu erreichen, da die Bahnschienen dazwischen liegen. Nach El Chorro sollen es 11 Km sein und nach Álora 6 km, die ich aber wieder zurück laufen müsste. Aber ich bleibe mal da, das Hostel hat ein Restaurant, also wäre ich mit Essen und Trinken versorgt und Wasser kann ich aus der Leitung bekommen.DSC_0047Ich packe meine Sachen in das Zimmer, ich habe ein Dreibettzimmer bekommen, in dem ich aber alleine wohne. Danach will ich nochmal einen Ort zurück gehen um zu schauen, ob es dort einen kleinen Supermarkt gibt. Fehlanzeige! Ich laufe mal in die andere Richtung, vielleicht ist da ja was. Auch nicht, na gut, dann ist es halt so. Dafür sehe ich endlich Orangenbäume! Málaga 053 (800x533)Ich warte bis keiner guckt und pflücke mir sofort eine ab, die ich natürlich gleich probiere. Dabei verzichte ich sogar auf meine pingelige Art diese zu schälen und riskiere gelbe, stinkende Finger, das ist es aber wert, denn die Orange schmeckt wirklich lecker. Es kommt noch besser, ich sehe Granatäpfel, die an einem Strauch wachsen, das ist wirklich toll, ich suche einen schönen aus und lasse ihn in meiner Tasche verschwinden, ihn heb ich mir für später auf.

Das geschah im Restaurant des Hostels…

Ich gehe wieder zurück und beschließe erstmal ein Bier zu trinken. Schmeckt gut, ich trinke noch eins. Eigentlich wollte ich nur eins trinken, dann duschen, denn Abendessen gibt es erst um sieben und wir haben jetzt erst 18 Uhr. In dem Restaurant sitzen ein paar Männer, die wohl gerade Feierabend gemacht haben und lassen sich ihr Bier schmecken. Irgendwie finde ich jetzt doch, dass es hier cool ist, es hat etwas von einer Truckerbar. Es gesellen sich noch ein paar Männer hinzu und dann kam er….Juan, der größte Schrecken Bellavistas!

Er bestellt sich ein Bier und quatscht mit der Kellnerin. Irgendwann merke ich, dass er mich die ganze Zeit anschaut, selbst wenn ich hin schaue, guckt er mich weiter an. Ich muss zugeben, dass es mir etwas unangenehm ist und mich nervös macht. Er bezahlt die Rechnung und sagt etwas zu mir. Ich teile ihm mit, dass ich ihn nicht verstehe und frage ihn, ob er englisch spricht, worauf er meinte ein bisschen. Er sprach weiter und weil ich ihn nicht verstehen konnte, gehe ich näher zu ihm hin. Großer Fehler, wie sich später herausstellen wird!

Ich merke schnell, dass er nicht das Geringste versteht was ich sage. Wir versuchen es mit Händen und Füßen und in allen Sprachen die wir etwas können und manchmal gelingt es, dass wir uns verstehen. Er ruft die Kellnerin, diese erklärt mir, dass Juan meine drei Bier bezahlt habe. Ich hasse sowas, ich versuche ihn auf ein Bier einzuladen, dieses lehnt er vehement ab. Na toll! Find ich schon komisch…

Es kommt noch besser! Er möchte mich JETZT auf seine Finca einladen, dort könnte ich schlafen, müsste nix bezahlen und ich könnte leckeren Fisch essen. Ich mache ihm klar, dass ich keinen Fisch mag, das Zimmer schon bezahlt ist und das ich hier bleibe. Er gibt nicht auf, immer und immer sagt er mir wie toll seine Finca ist und ich solle doch mitkommen. NEIN! Verdammt nochmal! Ich sage ihm er könne morgen früh um neun hier sein und dann würde ich ihn auf einen Kaffee einladen, das nimmt er direkt an und dann will er mich morgen auf die Finca mitnehmen und danach „trabajo“. Keine Ahnung was das heisst, ich schlage es mal nach….aha, arbeiten? Ahhh, er muss danach arbeiten! Das hab auch nur ich gedacht, als ich ihn frage, ob er danach arbeiten muss, verneint er und zeigt mit dem Finger auf mich. Ich lache, schüttel mit dem Kopf und zeig ihm ´n Vogel. Oh, das findet Juan wohl nicht so lustig wie ich, er wird etwas unfreundlich, spricht ganz leise und erhebt den Zeigefinger. Spätestens jetzt weiß ich, dass ich zusehen sollte irgendwie schnellstmöglich wegzukommen.

Bei ihm dreht sich mittlerweile alles um Arbeit, Finca, Fisch und Geld. Ich kann alles noch nicht so ganz zuordnen, aber ich weiß, dass Juan mit Sicherheit keiner ist, der es nur gut mit mir meint. Dummerweise habe ich ihm schon zu viel von mir erzählt, er weiss, dass ich in diesem Hostel für zwei Nächte bleibe und dann nach El Chorro will. Die Geschichte wird immer verrückter! Jetzt will er mich mit nach Madrid nehmen, da könnte man gut Kohle machen. Oh Gott, nächster Punkt: Maike, steige NIEMALS bei ihm ins Auto, egal ob es dunkel oder hell ist! Du musst ihn irgendwie los werden!

Das Gespräch macht mir überhaupt keinen Spaß mehr, es ist einfach nur anstrengend und nervt! Er versucht mich ziemlich hartnäckig zu überreden mitzukommen zu seiner Finca und dann nach Madrid, wegen dem Geld. Zwischenzeitlich hatte ich was gegessen und er stellt mir ununterbrochen neues Bier hin, ich bin natürlich immer noch freundlich und will nicht einfach gehen, wenn ich noch frisches Bier da stehen hab. Dann ruft er die Kellnerin, er zahlt ALLES (ich habe das natürlich nicht verstanden, sonst wäre ich eingeschritten!) und meinte er müsse gehen, weil er noch mit Madrid telefonieren muss. Ja, sehr gut! Er verabschiedet sich, ich muss ihm die Hand drauf geben, dass wir uns morgen um neun zum Frühstück sehen, was ich gar nicht mehr will, aber ich mache es, damit er endlich verschwindet. Ich entspanne mich als er weg ist und schreibe Nina eine Nachricht, was mir gerade passiert ist. Das erste was sie schreibt: hau ab! Das könnte jemand sein der alles für einen bezahlt und ihn dann zur Zwangsarbeit verdonnert. Danke, jetzt habe ich die Bestätigung, habe mir schon irgendwie sowas gedacht.

Ich bleibe nicht verschont, er kommt zurück! Nein, scheiße! Jetzt geht mir natürlich richtig die Flatter, nachdem ich mit Nina geschrieben habe. Er bestellt sofort zwei Bier und geht auf´s Klo. Ich rufe etwas hektisch und laut die Kellnerin und flehe sie an mir kein Bier mehr zu geben. Sie guckt etwas komisch, stellt eine Flasche dann aber zurück. Als Juan wieder da ist, teile ich ihm mit, dass ich nicht mehr will, austrinken und dann schlafen gehen werde. Findet er natürlich nicht toll. Ich leere meine Flasche in einem Zug, will ihm auf spanisch Tschüss sagen, darauf packt er mich und drückt mich ganz fest. Also jetzt ist genug, ich schiebe ihn weg, ein schnelles Adios folgt und ich verpisse mich so schnell ich kann. In der Tasche suche ich schon meinen Schlüssel zurecht, damit ich ganz schnell die Tür öffnen kann und knalle sie hinter mir zu. Geschafft! Aber entspannt bin ich nicht, denn da war ja noch was mit dem Frühstück…

Ich komme auf die bescheuerte Idee und google Madrid in Zusammenhang mit Geld und Arbeit und das was da an Ergebnissen kommt lässt mich erschaudern! Ich lese von Zwangsprostitution! Ich muss Juan los werden!

Nach einer unruhigen Nacht und blöden Träumen, freue ich mich als es sieben Uhr ist und ich endlich aufstehen kann. Was mach ich denn jetzt? Ich will Juan nicht nochmal sehen! Ich überlege ihm das Geld zurück zu geben und ihm mitzuteilen, dass ich nix mit ihm zu tun haben will. Problem, wie sag ich ihm das, dass er es versteht? Nee, so toll ist es hier auch nicht, ich gehe! Das Restaurant hat schon geöffnet, ich mach mich rasend schnell etwas frisch und bin 15 Minuten später unten. Ich trage der Kellnerin meinen gebastelten spanischen Satz vor: me quesiera cancellar le reservar. Zu meinem erstaunen sagt sie direkt ok, trägt mich aus dem Buch aus, geht zur Kasse und gibt mir meine 20 Euro zurück. Das war einfach! Ich könnte es schaffen in einer halben Stunde am Bahnhof von Álora zu sein, das sind etwa drei Kilometer. Also trinke ich noch schnell einen Kaffee, dann hol ich meinen Rucksack und um acht Uhr renne ich los. Ich ziehe meine Kapuze über den Kopf, mein Blick geht in Richtung Boden, bloß nicht hoch gucken, ich will nicht gesehen werden, am liebsten von Niemandem und ich gehe so schnell ich kann. Ich habe Angst, dass Juan mich sieht, er muss hier irgendwo wohnen und das wär das Schlimmste was mir jetzt passieren könnte. Ich erreiche den Bahnhof sogar in nur 25 Minuten, aber ich kann mich erst entspannen, wenn ich hier weg bin. Und dann kommt endlich der Zug, ich steige ein und bin nur wenig entspannter. Vielleicht wird’s besser wenn ich zurück in Málaga bin, diese Stadt, in der ich mich bis jetzt am unsichersten gefühlt habe. Aber sie ist groß und Juan hat damit nicht gerechnet, er weiß nur, dass ich nach El Chorro wollte.

Alles Schlechte muss auch was Gutes haben…

Ich steige in Málaga aus und nehme das nächste Café, lasse mich in den Stuhl fallen und atme erleichtert aus! Jetzt bin ich an einem sicheren Ort! Blöd nur, dass ich schon 10 Minuten hier sitze und kein Kellner kommt. Als ich gerade gehen will, spricht mich eine junge Frau auf englisch an und fragt, ob ich in der Nähe ein günstiges Hostel kenne. Ich hatte zuvor Mr. Google gefragt, weil ich ja auch noch nichts habe und bin auf ein Hostel gestoßen, wo ein Mehrbettzimmer für 11,50 € zu haben wäre, sogar mit Frühstück. Ich teile es ihr mit und sie schreibt sich die Adresse auf. Sie würde sich gerne zu mir setzen um einen Kaffee mit mir zu trinken. Ja, gerne! Ach, und dann kommt auch endlich mal die Kellnerin! Wir tauschen uns aus, sie kommt aus Frankreich und hat so eine komische Trommel dabei (habe den Namen vergessen) und möchte hier etwas Musik machen. Nach einer Weile frage ich sie, ob wir nicht zusammen auf die Suche nach einem Zimmer gehen sollen, ich brauche ja schließlich auch noch ´ne Bleibe. Sie willigt sofort ein und dann ziehen wir gemeinsam los. Jetzt fühle ich mich noch sicherer! Wir finden ein Zimmer, können dieses aber erst in zwei Stunden beziehen. Egal, wir lassen unsere Rucksäcke da, gehen ein Bier trinken und eine Kleinigkeit essen. Als die zwei Stunden rum sind gönnen wir uns erstmal einen Mittagsschlaf und lernen dann Rachel aus der Schweiz kennen, die sich zu uns auf´s Zimmer gesellt. Anschließend gehen wir zu dritt zum Hafen, ich werde immer entspannter und wir schauen der Sonne beim Untergehen zu und dabei wird es verdammt kalt. Wir gehen nochmal zurück zum Hostel und ich ziehe das erste mal seit drei Wochen meine lange Hose an. Rachel trifft ein paar Jungs mit denen sie gerne was machen würde, Verginee und ich gehen Tapas essen und sie hat eine Menge zu erzählen, mich stört es nicht, ich bin froh, dass sie da ist! Am nächsten Morgen frühstücken wir noch gemeinsam, tauschen unsere Email- Adressen und Telefonnummern aus und dann führt mich mein Weg wieder in Richtung dieses unheimlichen Ortes. Es regnet in Strömen und ich lasse mich mit dem Taxi zum Bahnhof fahren.

El Chorro 006 (800x533)

Ein richtiges Backpacker Hostel

günstig, sauber, mit Frühstück, sehr zentral, 8 Bett Zimmer für 11,50€

El Chorro 005 (800x533)El Chorro 004 (800x533)El Chorro 003 (800x533)

 

 

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